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Austauschschülerin aus Japan mit Gastmutter und anderen Austauschschülern

„Es macht einfach Spaß zu sehen, mit wie viel Freude Koko in ihr Leben hier eintaucht.“

Interview mit Antje Asmus, Gastmutter von Kokoro aus Japan und engagierte Betreuerin für Austauschschüler

In diesem Jahr habt ihr euer viertes Gastkind für ein Jahr aufgenommen. Was motiviert euch immer wieder neu dazu, Gastfamilie für Austauschschüler zu werden?

Den ersten Kontakt zu YFU hatten wir, als eines Tages unser Sohn aus der Schule kam und nach einem Schulvortrag eines YFU-Ehemaligen auch als Austauschschüler in die USA wollte. Das hat uns total gefreut, besonders weil er zwei Jahre zuvor noch ganz entsetzt war, als wir mit der Idee an ihn herangetreten sind. Wir haben ihn in seinem Vorhaben also von Anfang an unterstützt, aber selbst ein Gastkind aufzunehmen, kam für uns eigentlich nicht in Frage. Wir sind beide voll berufstätig und hatten das Gefühl, einem Austauschschüler nicht gerecht werden zu können. Auf dem letzten Vorbereitungstreffen für unseren Sohn erfuhren wir dann aber von der dringenden Suche nach Gastfamilien und wollten uns zumindest als Willkommensfamilie für die erste Zeit zur Verfügung stellen. Da hatten wir aber nicht mit der Reaktion unserer Tochter gerechnet: Die fand die Idee, ihre Eltern mit einem Gastkind teilen zu sollen, am Anfang überhaupt nicht gut. Nach Gesprächen mit ihren Freunden schlug diese Ablehnung aber in absolute Begeisterung um, allerdings unter einer Bedingung: Wenn wir schon ein Gastkind aufnehmen, dann richtig und für ein Jahr. So kamen wir zu unserer ersten Austauschschülerin aus Rumänien. Ein Land, das wir uns übrigens nie selbst ausgesucht hätten. Aber wir hätten es gar nicht besser treffen können und es passte von Anfang alles. Nach so einer tollen Erfahrung juckte es uns dann natürlich, das noch einmal zu wiederholen. Und so haben wir uns gesagt: Wir machen weiter, bis wir mal so richtig ins Fettnäpfchen treten und eine schlechte Erfahrung machen (lacht). Das ist bisher aber zum Glück bis jetzt noch nicht passiert.

 

 

Gerade habt ihr mit Koko aus Japan zum ersten Mal ein Gastkind aufgenommen, das vor seiner Anreise noch keinerlei Deutschkenntnisse hatte. Läuft euer Austauschjahr wie erwartet?

Es läuft tatsächlich sogar viel besser als erwartet! Wir haben uns dieses Jahr sehr bewusst für Koko entschieden, um damit auch mal eine neue Herausforderung anzunehmen. Denn Koko sprach nicht nur bei Anreise kein Deutsch, sondern ist mit ihren 15 Jahren auch noch viel jünger als unsere bisherigen Gastkinder. Da haben wir immer darauf geachtet, dass schon möglichst selbstständige Jugendliche zu uns kamen, weil wir eben beide berufstätig sind. Bei Koko wollten wir es also wissen (lacht). Es ist dann tatsächlich auch so, dass Koko noch mehr Kind ist als die anderen, etwas mehr Aufmerksamkeit braucht und ich als Mutter einfach nochmal ganz anders gefordert bin. Wir hätten aber zum Beispiel nie gedacht, uns mit unserer japanischen Austauschschülerin so ein Energiebündel ins Haus zu holen, das überall gute Laune verbreitet. Es macht einfach Spaß zuzusehen, mit wie viel Freude und Interesse Koko in ihr Leben hier eintaucht und mit wie viel Ehrgeiz sie Deutsch lernt. Seit zehn Tagen, also nicht mal zwei Monate nach ihrer Anreise, sprechen wir mit ihr zum Beispiel ausschließlich auf Deutsch – und das klappt erstaunlich gut. Wir haben immer gesagt, dass unser Jahr mit unserer ersten Austauschschülerin das schönste war – aber unsere Zeit mit Koko ist auf dem besten Weg, diese Erfahrung zu toppen (lacht).

 

 

Seit 2015 engagierst du dich bei YFU außerdem als Betreuerin und kümmerst dich allein in diesem Jahr um ganze acht Austauschschülerinnen und Austauschschüler. Wie kam es dazu?

Nachdem wir unser zweites Gastkind  aus den USA verabschiedet hatten, erhielten wir ein Schreiben von YFU mit der Frage, ob wir uns nicht auch in der Betreuung von Austauschschülern engagieren wollten. Das war zu einer Zeit, in der meine eigenen Kinder gerade aus dem Haus waren und ich auf der Suche nach einem Hobby und Ausgleich zu meinem Berufsleben war. Ich besitze eine Praxis und bin da naturgemäß viel mit Leid und Schmerzen konfrontiert. Ich habe also etwas gesucht, das Spaß macht und mir positive Energie gibt. Nach einem bisschen Nachdenken formte sich der Gedanke, dass die Betreuung von Austauschschülern genau das Richtige dafür sein könnte. Der Besuch einer Betreuerschulung in Hamburg bestätigte mich in meinem Gefühl. Also wurde ich erst einmal ein Jahr Co-Betreuerin, um mich zu orientieren. Danach wollte ich gern richtig einsteigen, hatte aber bald das Problem, dass es in meiner Umgebung eigentlich keine Austauschschüler gab. Also habe ich angefangen, mir selbst Gastfamilien hier im Müritzkreis zu suchen. Ein Jahr lang habe ich intensiv Werbung gemacht, in meiner Praxis, mit Presseartikeln, durch Vorträge und Aushänge. Am Ende des Jahres hatte ich neun Gastfamilien gefunden – und damit dann auch neun Austauschschülerinnen und Austauschschüler zum Betreuen (lacht).

 

 

Kam in dieser Zeit auch die Idee auf, über die eigentliche Betreuung hinaus, mehr mit “deinen” Familien und Jugendlichen zu unternehmen?

Ja, denn diese erste Gruppe war eine wirklich tolle Truppe, die menschlich auch gut zusammenpasste – sowohl die Familien als auch die Schüler. Wir haben ein Willkommenstreffen organisiert und dabei wurde schnell klar, dass die Chemie stimmte. Wenn du sowas spürst, dann macht es auch Spaß, während des Austauschjahres weitere Ausflüge und Treffen für alle zu organisieren. In meinem zweiten Jahr als Betreuerin war das etwas anders: Da waren es “nur” vier Schülerinnen und Schüler und das Interesse und der Zusammenhalt war einfach nicht so da. In dem Jahr war ich dann auch “nur” Betreuerin. Jetzt diesen Sommer scheint sich aus meinen acht – bzw. ab Winter neun! – Jugendlichen und Familien aber wieder eine tolle Gruppe zu formen und bei unserem Willkommenstreffen im Kletterwald im September saßen alle mit Kind und Kegel noch bis in die Puppen zusammen und tauschten sich aus. Am Ende hat man mir die Schlüssel gegeben und wir haben den Kletterwald dann nachts zugeschlossen. So ein Ausflug ist natürlich auch eine Heidenarbeit in der Organisation und die erste halbe Stunde, als alle 50 Anwesenden mit ihren Fragen auf mich zukamen, habe ich schon gedacht, was ich mir da eigentlich wieder antue. Aber nachdem sich das erste Chaos gelegt hatte und alle mit Ausrüstung und Infos versorgt waren, war es einfach nur ein wunderschöner Tag und ich freue mich jetzt schon auf die weiteren Ausflüge mit meiner Truppe: Mit den Austauschschülern allein werden ich und mein Mann zum Beispiel noch einen Berlin-Trip machen, dann werden wir mit allen gemeinsam noch einmal Wasserski fahren gehen und am Ende des Austauschjahres organisieren wir immer ein großes Abschlussfest am See. Wenn so etwas gelingt, dann ist es wirklich immer ein Riesenspaß und auch toll für die Familien. Ich denke, auch deswegen habe ich jedes Jahr immer wieder viele Familien, die erneut aufnehmen und einfach dabei bleiben möchten. Übrigens in diesem Jahr auch zwei Familien, bei denen es letztes Jahr leider nicht gut geklappt hat und die es dieses Jahr trotzdem nochmal versuchen möchten. Das hat mich besonders gefreut. Und dass wir so immer wieder Austauschschüler aus aller Welt zu uns an die Müritz einladen können, ist doch wirklich eine tolle Sache!

 

 

Nun kann man nicht sagen, dass du ohne YFU Langeweile hättest: Du hättest mit einer eigenen Praxis und deiner Familie wahrscheinlich auch so schon genug zu tun. Was treibt dich an, dich zusätzlich so für den Schüleraustausch zu engagieren?

Meine ursprüngliche Motivation war immer, einen Ausgleich zu meinem Alltag in der Praxis zu haben. Und tatsächlich habe ich oft so viel Freude mit “meinen” Austauschschülern, dass diese Idee absolut aufgegangen ist. Wenn ich von einem Konzert höre, schicke ich eine Nachricht in die Runde, wer mit möchte. Wenn wir mit Koko ins Kino gehen, fragen wir, wer noch Lust hat. Mein Auto ist eigentlich nie leer und dann zuzuhören, wie die Jugendlichen von sich erzählen und in ihre Welt einzutauchen – das macht einfach Freude. Man muss dazu auch sagen, dass ich ein Mensch bin, der Leben um mich braucht. Als meine eigenen Kinder aus dem Haus waren, war ich schon traurig und habe gemerkt, wie leer das Haus war. Das hat sich mit unseren Gastkindern dann schlagartig geändert und auf einmal stiefelte ich wieder zu Elternabenden und setzte mich mit der Gedankenwelt von Teenagern auseinander (lacht). Aber man bleibt dadurch auch jünger und noch gibt mir das so viel Freude, dass ich nicht darauf verzichten möchte. Natürlich gibt es auch immer wieder Phasen, wo es schon viel wird und ich an meine Grenzen komme. Aber wenn ich merke, dass die Jugendlichen die Angebote hier gern wahrnehmen, Interesse haben und wenn etwas zurückkommt, dann stecke ich da gern Energie rein. Wenn auch sicherlich nicht jedes Jahr mit der gleichen Intensität. Da passt aber auch mein Mann auf mich auf, der zwar mit ebenso großer Freude Gastvater ist, aber mich immer auch wissen lässt, wenn es doch ein bisschen viel wird mit YFU in unserem Leben (lacht). Im Moment freuen wir uns aber beide auf die nächste Zeit mit viel Trubel und Spaß mit “unseren” Schülern an der Müritz!

Familie Asmus begrüßt Kokoro

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Ausflug in den Kletterpark

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Gemeinsam im Urlaub

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Antje Asmus mit Gasttochter Kokoro und "ihren" Austauschschülern

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Kokoro (mitte) mit anderen Austauschschülern

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Kokoro feiert ihren 16. Geburtstag

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Kokoro sucht mit ihrem Gastvater einen Baum für Weihnachten aus

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