„Für eine Woche mit 45 Jugendlichen nach Prag reisen? Als 67jährige Frau, die beruflich mit älteren Menschen zu tun hatte, war das ein ungewöhnliches Vorhaben, das in meinem Umfeld einige Fragen aufwarf. Aber ich wollte selbst erleben, wie sich eine Projektidee realisierte, an der ich mit vielen anderen engagierten Menschen seit einiger Zeit mitgedacht hatte. Ein neues multinationales Begegnungsformat für (Austausch-)Schüler*innen sollte erprobt werden, das YFU gemeinsam mit Schulen organisieren wollte. Und so trafen sich Anfang März 15 Schüler*innen der Naše Śkola, der Freien Schule aus Liteń, 15 Jugendliche der Erich-Kästner-Realschule aus München und 15 internationale YFU-Austauschschüler*innen in Prag, um gemeinsam eine intensive und bereichernde Woche zu verbringen. Begleitet wurden sie jeweils von ihren Lehrer*innen und von YFU-Ehrenamtlichen aus unterschiedlichen Teilen Deutschlands.
Geschichte erleben
Die Idee war, sich gemeinsam über Zeitabschnitte tschechischer Geschichte zu informieren, sich über aktuelle gesellschaftliche Themen auszutauschen und natürlich auch Prag zu erleben. In Sechserteams mit jeweils zwei Personen aus jeder Gruppe wurden zunächst bei einer Stadtrallye Orte des „Prager Frühlings“ 1968 und der „Samtenen Revolution“ 1989 entdeckt. Die Gedenkstätte und das Museum in Lidice brachten am nächsten Tag die Besetzung Tschechiens durch die Nazis mit ihren brutalen Taten gegenüber der Zivilbevölkerung näher.
Lernen, diskutieren, über sich hinauswachsen
In den multinationalen Gruppen wurde in mehreren Workshops gemeinsam recherchiert und diskutiert: Was Demokratie für den Einzelnen bedeutet, wie Bürger und Staat in Beziehung stehen. Besonders lebhaft ging beim Thema Medien zu. Wie informiert man sich? Wie erkennt man Fake-News? Nicht nur über die individuellen Verhaltensweisen tauschten sich die Teilnehmer*innen aus, deutlich wurde auch, wie unterschiedliche in den Herkunftsländern der Zugang zu Informationen ist.
Den Eltern der tschechischen Teilnehmenden wurden die Arbeitsergebnisse am Ende der Woche präsentiert. Sie zeigten sich beeindruckt, ebenso wie alle begleitenden Lehrer*innen. Alle hatten sich eingelassen, manche waren über sich hinausgewachsen. Trotz aller Sprachhürden wurde gemeinsam gearbeitet und sich ausgetauscht. Die Münchner und die tschechischen Schüler*innen waren beeindruckt von den YFU-Austauschüler*innen, die gerade ihr Austauschjahr in Deutschland verbringen: Von ihrem Mut, ein Jahr nach Deutschland zu gehen, ihrem Wissen und ihrer Offenheit. Und so geht es auch mir.
Eine bereichernde Erfahrung für alle
Für mich hat sich die Woche in und bei Prag gelohnt. Es war schön zu erleben, wie die Jugendlichen Kontakte knüpften, wie großartig sich die Direktorin der tschechischen Schule mit ihrem Team für die Begegnung eingesetzt hat, wie die Münchner Schüler*innen bei ihrer ersten schulischen Auslandserfahrung gleich auch die Perspektiven von Jugendlichen aus China, Thailand, Chile oder Türkei erleben konnten. Sie konnten bei der gemeinsamen Reise nach Prag nicht nur die schöne Stadt an der Moldau, sondern die Welt entdecken. Und in all diese Diversität passte es dann auch, dass ich als ältere Freiwillige dabei war.“
Susanne Kutz ist Mitglied des YFU-Kuratoriums und auf vielen weiteren Ebenen für den Verein aktiv. Sie hat in Düsseldorf und Hamburg studiert und war von 1986 bis 2021 für die Körber Stiftung tätig: Zunächst als Mitarbeiterin des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten, dann als Initiatorin und Leiterin der Edition Körber-Stiftung und ab 2005 als Leiterin des Bereichs Kommunikation und Programmplanung. Von 2015 bis zu ihrem Ruhestand verantwortete Susanne Kutz die den Bereich Alter und Demografie und begleitete den Aufbau des KörberHauses in Hamburg-Bergedorf.