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Austausch in Zeiten der Pandemie

YFU-Blog

Aktuelles aus Verein und Austauschwelt

Im Gespräch mit YFU-Geschäftsführer Knut Möller

8. März 2022

Die Pandemie hat die Austauschwelt temporär auf den Kopf gestellt. Welche Auswirkungen hatte das auf YFU als ehrenamtlich getragenen Verein? Und welche Themen stehen aktuell im Fokus? Ein Interview mit Geschäftsführer Knut Möller:  

 

Nach zwei Jahren Achterbahnfahrt – wie geht es dem Verein?

Eigentlich erstaunlich gut, obwohl die Pandemie die größte Krise in der Geschichte des Vereins und des YFU-Netzwerks verursacht hat. Im Programmjahr 19/20 mussten wir alle Austauschprogramme „in voller Fahrt“ abbrechen, was mit einem unglaublichen Aufwand und hohen Kosten verbunden war. Im Schuljahr 20/21 lag die Zahl der Teilnehmer*innen bei nur etwa 35 Prozent des Vor-Corona-Niveaus, und im laufenden Schuljahr 21/22 liegen wir bei etwa 50 bis 60 Prozent. Wenn wir in Betracht ziehen, dass das Finanzierungsmodell von YFU von den jetzt teilweise ausbleibenden Kostenbeiträgen der Austauschschüler*innen und ihrer Eltern abhängt, wäre eigentlich zu erwarten, dass es wesentlich kritischer aussieht. Die Organisation ist aber stabil.

 

Was war ausschlaggebend dafür, dass wir die Krise bis jetzt bewältigen konnten?

Es gibt nicht die eine goldene Maßnahme, die die Lösung gebracht hat, sondern mehrere einzelne: Wir haben versucht, so viel wie möglich zu sparen und Ausgaben zu vermeiden. Die Angestellten sind für viele Monate in Kurzarbeit gegangen, und alle haben sich über die Maßen eingesetzt. Es gab eine unglaublich große Bereitschaft, für den Verein zu spenden. Und schließlich hat das Sonderprogramm der Bundesregierung für die gemeinnützigen Anbieter langfristiger individueller Austauschprogramme das verbliebene Risiko abgesichert. Mehrere größere Projekte werden zudem von dritter Seite finanziert, und die Stiftungen, mit denen wir kooperieren, haben uns in fantastischer Weise unterstützt. Der Verein ist deshalb finanziell gesund. Und das Engagement sowie das Bekenntnis der Mitglieder, der ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen und der Angestellten zum Verein haben dazu geführt, dass die Organisation widerstandsfähig und stabil ist.

 

Wie ist die Situation in der Geschäftsstelle des Vereins?

Alle Austauschorganisationen berichten von ähnlichen Herausforderungen: Wir müssen den reduzierten Betrieb am Laufen halten und gleichzeitig die Programme der Nach-Corona-Zeit vorbereiten, von der niemand weiß, wann sie endlich beginnt. Vor allem ist jede aktuelle Programmteilnahme mit zahlreichen, oft komplizierten und außergewöhnlichen Bedingungen verbunden, auf die individuell reagiert werden muss.

 

Und vor welchen Herausforderungen steht der Verein aktuell?

Die vielleicht größte Herausforderung ergibt sich aus der schwierigen Situation unserer Partnerorganisationen. In vielen Partnerländern können – aus unterschiedlichen Gründen – noch gar keine oder nur geringe Aufnahmekapazitäten angeboten werden. Unser Entsendeprogramm kann deshalb trotz der großen Nachfrage hier in Deutschland nur langsam wieder auf das Vor-Corona-Niveau kommen. Und auch unser Aufnahmeprogramm wird nur nach und nach wieder wachsen können. Es werden gegenwärtig deutlich weniger Schüler*innen nach Deutschland entsandt.

Ich bin aber auch hier optimistisch. Die Stabilität des Vereins in Deutschland ist gewährleistet, und – das ist schon jetzt absehbar – es wird eine große, wahrscheinlich sogar eine wachsende Nachfrage nach internationalen Austauschprogrammen geben. Wie schnell wir wieder auf die Teilnehmerzahlen kommen, die wir von vor der Pandemie kennen – und hoffentlich darüber hinaus – ist aber jetzt noch nicht abzusehen.

 

In den verschiedenen Bereichen des Vereins wird der Mangel an aktiven Ehrenamtlichen deutlich. Ein Faktor für den Schwund war sicherlich der fehlende persönliche Austausch in den letzten Monaten. Was bräuchte es aus deiner Sicht, um das Ehrenamt kurz- und mittelfristig zu stärken?

Die Zahl der ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen sinkt in der Tat. Auch früher war es normal, dass Mitarbeiter*innen ihr Engagement bei YFU nach einer gewissen Zeit aufgeben. Es gibt jetzt aber weniger Nachwuchs und gleichzeitig viele zusätzliche Aufgaben. Zudem macht die Arbeit für YFU ohne persönliche Begegnungen einfach weniger Spaß. Die größte Herausforderung des Vereins besteht deshalb darin, die Bedingungen für das ehrenamtliche Engagement so zu gestalten, dass möglichst viele Menschen sich mit Freude bei YFU engagieren können. Daran arbeiten wir, ich finde mit guten Ansätzen und guten Aussichten, und – wie es für YFU typisch ist – in einer produktiven Kooperation zwischen Ehrenamt und Hauptamt. Der Vorstand und die Gremien haben beschlossen, dass die Förderung und die Weiterentwicklung der Ehrenamtlichkeit einer der Schwerpunkte der Arbeit des kommenden Jahres sein werden. Das passt auch zu der Strategie, die der Verein im Herbst 2020 beschlossen hat.

 

Du hast die Bedeutung des Sonderprogramms erwähnt, das der Bundestag im Sommer 2020 beschlossen hat. Worum geht es dabei und wie ist es dazu gekommen?

Es ging um nicht weniger als die Existenz der Träger des Langfristigen Individuellen Schüleraustausches. Die im AJA organisierten Träger dieser Programme bekommen – anders als der klassische Jugendaustausch (d.h. kurzfristige Gruppenprogramme und der klassische Schüleraustausch, der von Schulen organisiert wird) – keinerlei staatliche Förderung. Das haben wir schon immer beklagt, aber als unser Finanzierungsmodell in der Corona-Krise zusammengebrochen ist und unsere Existenz unmittelbar bedroht war, konnte das Problem nicht mehr ignoriert werden. Wir haben uns deshalb mit allen Mitteln, die wir haben, an die Politik gewandt, und wir sind erleichtert und dankbar, dass das Problem erkannt und gehandelt wurde. Der Bundestag hat das Sonderprogramm beschlossen, und das Jugendministerium hat es gemeinsam mit der Hamburger Sozialbehörde umsichtig und engagiert umgesetzt.

 

Bei der Kampagne wurden Bundestagsabgeordnete durch eine Vielzahl von YFU nahestehenden Personen in vielen Teilen Deutschlands kontaktiert. Warum ist die persönliche Ansprache von Politiker*innen vor Ort so wichtig und welche Möglichkeiten eröffnet sie dem Verein?

Der Kontakt, den Hunderte ehrenamtlicher Mitarbeiter*innen zu den Abgeordneten in den Wahlkreisen hergestellt haben, war entscheidend dafür, dass das Sonderprogramm beschlossen wurde. Wir haben erfahren, dass unsere Parlamentarier*innen nahbarer und engagierter sind, als viele denken. Viele Abgeordnete haben uns erzählt, dass sie bei Kontakten mit Bürger*innen meistens mit Pöbelei und Nörgelei konfrontiert sind. Wenn sie von höflichen, freundlichen und engagierten Menschen in ihren Wahlkreisen angesprochen werden, reagieren sie aufgeschlossen und hilfsbereit.

 

Durch das Engagement ehrenamtlicher YFU-Mitarbeiter*innen in den Wahlkreisen haben wir schon jetzt mehr als 200 persönliche Kontakte zu Abgeordneten. Das wollen wir noch ausbauen. Und das Schöne ist, dass die Mitarbeiter*innen, die sich im Rahmen unserer Lobby-Arbeit engagiert haben, finden, dass dieser Einsatz Freude macht, interessant ist und sich auch einrichten lässt, wenn neben dem Beruf und der Familie wenig Zeit bleibt. Wir verfolgen derzeit die Idee, im Herbst 2022 einen Wochenend-Workshop für alle ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen zu organisieren, die sich für unsere Lobby-Arbeit interessieren. Dort wollen wir besprechen, wie wir diesen Bereich des ehrenamtlichen Engagements bei YFU weiterentwickeln können.

 

Im Jahr 2021 gab es die Kampagne „Zurück in die Welt – Austausch zum Bildungsstandard machen!“. Worum geht es dabei und was wurde bisher erreicht?

Wir möchten, dass der Staat den Jugend- und Schüleraustausch systematischer und gezielter fördert, als dies bisher geschehen ist. Dazu braucht es eine nationale Strategie und deren zwischen den beteiligten Bundesministerien sowie zwischen Bund und Ländern abgestimmte Umsetzung. Bisher arbeiten mehrere staatliche Instanzen nebeneinanderher ohne Koordination. Das darf nicht so bleiben. Die Vorschläge und Wünsche der inzwischen 30 Organisationen, die die Kampagne unterstützen, sind auf der Homepage zu finden: www.zurueck-in-die-welt.de

 

In den Gesprächen mit Abgeordneten über das Sonderprogramm ist klar zum Ausdruck gebracht worden, dass der Jugend- und Schüleraustausch in allen Parteien und Fraktionen geschätzt wird. Wir haben deshalb viel mehr Möglichkeiten, Unterstützung aus der Politik zu bekommen, als wir geglaubt hatten. Ich halte es für realistisch, die Ziele zu erreichen, die wir für die Lobby-Kampagne beschrieben haben.

 

Ein Ergebnis der politischen Verbindungsarbeit ist die Organisation einer Konferenz zur politischen Bildung im Jugend- und Schüleraustausch. Geplant ist ein Austausch zwischen Lehrkräften, Ministerien, Stiftungen, Wissenschaftler*innen und Austauschorganisationen, um gesellschaftliche, inhaltliche und politische Aspekte unserer Bildungsarbeit zu diskutieren. Welche Ergebnisse erhoffst du dir von der Konferenz, die im Herbst 2022 stattfinden soll?

Ich erhoffe mir einen produktiven Dialog der Szene des Jugend- und Schüleraustausches, von dem alle Seiten profitieren – vor allem die Trägerorganisationen, die die Austauschprogramme organisieren. Wir als Träger wollen über den Tellerrand der Szene hinausblicken und Impulse für die weitere Organisationsentwicklung und unsere Bildungsarbeit bekommen. Ich bin ja schon länger im Geschäft, und ich habe noch nie erlebt, dass die gesellschaftliche und die politische Wirkung von Austauschprogrammen so unumstritten und so nachgefragt war wie jetzt. Kaum jemand bestreitet mehr, dass Austauschprogramme ein ideales Lernfeld zum Erwerb der Fähigkeiten sind, die gebraucht werden, um die großen Probleme der Menschheit zu lösen. Das war vor ein paar Jahren noch anders, als es scheinbar nur um den Erwerb individueller Kompetenzen ging, um die Verbesserung der „Employability“ der Programmteilnehmer*innen.

 

Wir haben in den vergangenen Monaten erlebt, dass uns Politiker*innen aus allen demokratischen Parteien, Ministerien und Stiftungen viel stärker unterstützen als zuvor. Darauf wollen wir jetzt aufbauen. Die Konferenz, die YFU gemeinsam mit dem Arbeitskreis gemeinnütziger Jugendaustausch (AJA) organisiert, soll dazu beitragen, dass sich der Diskurs in der Szene des Jugend- und Schüleraustausches weiterentwickelt und dass die Politik, die Verwaltung und die Öffentlichkeit davon erfährt. Die Sichtbarkeit unserer Arbeit und deren gesellschaftlicher Wert sollen vergrößert werden.

 

Hältst du die Befürchtung für berechtigt, dass uns die Arbeit an Projekten wie der Konferenz von unserer eigentlichen Arbeit abhält? Sollten wir uns darauf beschränken, Austauschprogramme zu organisieren?

Nein, das glaube ich nicht, denn wir können die Ziele des Vereins umso besser erreichen, je mehr Unterstützung wir bekommen und je intensiver der Diskurs in der Austauschszene und die Kommunikation mit der Politik ist. Besonders erfreulich an dem Konferenz-Projekt und anderen Vorhaben, die wir derzeit betreiben, ist die Tatsache, dass die Finanzierung der Konferenz durch die Unterstützung der Joachim Herz Stiftung und vor allem die des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gesichert ist. Die alte Regierung hatte Mittel für ein Programm „Vielfalt erleben durch Austausch und Begegnung – Jugendaustausch stärken“ zur Verfügung gestellt auf der Basis eines Beschlusses „zur Bekämpfung von Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus“. Ich freue mich sehr, dass wir uns daran beteiligen können und den Wert von Austauschprogrammen verdeutlichen und hoffentlich weiterentwickeln können.

 

Nun zu dir persönlich: seit über 21 Jahren bist du Geschäftsführer des Deutschen Youth For Understanding Komitees. Was macht man da eigentlich so?

Die wichtigste Aufgabe der Geschäftsführung des Vereins besteht darin, gute Bedingungen für das Wohlergehen des Vereins und für seine möglichst gute Entwicklung zu schaffen. Das hört sich nach einer großen und bedeutenden Arbeit an, es ist aber in Wirklichkeit ein Sammelsurium von nicht immer planbaren, kleinen Aufgaben, die oft auch trivial sind: Gespräche führen, Kontakte pflegen, Informationen besorgen, Herausfinden, wo es Chancen gibt, Entscheidungen treffen, Entwicklungen beeinflussen, auf Kritik und auf Krisen reagieren.

Eine unserer wichtigsten Aufgabe ist die Organisation und die ständige Weiterentwicklung der Geschäftsstelle, aber das ist zum Glück nicht so schwierig. Die Abteilungsteams funktionieren gut und arbeiten selbständig. Es gibt eine gute Mischung aus älteren, erfahrenen und aus jungen Kolleg*innen; und die Menschen, die in der YFU-Geschäftsstelle arbeiten, sind überdurchschnittlich engagiert und identifiziert mit der Arbeit des Vereins.

 

Die Aufgaben, die ich tatsächlich selbst erledige, beziehen sich vor allem auf die Außenvertretung des Vereins, den Kontakt zu anderen Organisationen in der Szene, zu Geschäftspartnern, zu den Partnerorganisationen in anderen Ländern und auf die Vertretung YFU Deutschlands im YFU-Netzwerk. Außerdem sind Mareike (Anmerkung der Redaktion: Mareike von Raepke, zweite Geschäftsführerin) und ich dafür verantwortlich, dass der Verein finanziell stabil ist und dass die Kommunikation mit dem Vorstand und den Gremien funktioniert.

In den letzten Jahren ist die Lobby-Arbeit immer wichtiger geworden, also der Dialog mit der Politik und der Verwaltung. Ich hätte gern früher gelernt, wie gut unsere Chancen und Möglichkeiten sind, hier Fortschritte zu erreichen.

 

Wenn du Ehrenamtlicher wärst, in welchem Bereich würdest du aktiv werden?

Ganz klar: Bei den Seminaren für unsere Austauschschüler*innen und bei den Trainings für ehrenamtliche Mitarbeiter*innen. Ich war zehn Jahre Leiter des Aufnahmeprogramms, und die Seminare und Trainings haben mir immer am meisten Freude gemacht. Besonders gut gefallen hat mir, dass man dort engagierte, herzliche und gute Menschen trifft. Ich habe dort vor mehr als zwanzig Jahren Menschen kennengelernt, die heute auch Freunde sind. Als ich Geschäftsführer wurde, habe ich noch einige Zeit versucht, zumindest manchmal an Trainings und Seminaren teilzunehmen, aber das ist aus Zeitgründen einfach nicht möglich. Sehr schade! Mal schauen, was die Zukunft bringt.

 

Auf der diesjährigen Bundesversammlung wurde Mareike von Raepke, die bisher stellvertretende Geschäftsführerin war, als zweite Geschäftsführerin berufen, um einen fließenden Übergang bis zu deinem Ruhestand zu gestalten. Hast du ein großes Ziel, dass du bis dahin noch erreichen möchtest?

Mein wichtigstes Ziel besteht darin, dass die erfreuliche und positive Entwicklung des Vereins, die wir trotz einiger Rückschläge sehen, keinen Bruch erfährt. Ich möchte alles dafür tun, was mir möglich ist, damit der Übergang zu der neuen Führung der Geschäftsstelle gelingt und bei Neuerungen nicht im Wege stehen. Es gibt Beispiele bei vergleichbaren Organisationen, die zeigen, dass das nicht so einfach ist. Mein gutes Verhältnis zu Mareike, mein Vertrauen in ihre Fähigkeiten, die gute Teamarbeit im Leitungskreis der Geschäftsstelle und die vielen hervorragenden Mitarbeiter*innen, die es in der Geschäftsstelle des Vereins gibt, machen mich zuversichtlich, dass wir das hinbekommen.

 

Was die Inhalte unserer Arbeit betrifft, sind mir fünf Ziele wichtig, denen wir in den nächsten eineinhalb bis zwei Jahren hoffentlich ein wenig näherkommen: Ich möchte erstens noch sehen, dass sich die die positive Entwicklung des internationalen YFU-Netzwerks bestätigt, die vor zwei Jahren begonnen hat. Zweitens: Die Zahl der Teilnehmer*innen an unseren Programmen soll bis zum Schuljahr 2023/24 höher sein als vor der Corona-Krise. Drittens sollen erste Fortschritte sichtbar sein, den Verein vielfältiger und diverser zu machen. Viertens wünsche ich mir, dass wir den Zielen näherkommen, die wir für unsere Lobby-Kampagne beschrieben haben. Und fünftens hoffe ich, dass wir Fortschritte machen bei dem Vorhaben, die Rahmenbedingungen der ehrenamtlichen Arbeit bei YFU zu modernisieren und zu verbessern.

 

Wo würdest du persönlich dich engagieren, wenn es um die Entwicklung der Ehrenamtlichkeit bei YFU geht?

Ich finde, dass die älteren Mitarbeiter*innen mehr Aufmerksamkeit verdienen. Ich schätze, dass sich etwa 2.000 ehrenamtliche Mitarbeiter*innen mit YFU Deutschland verbunden fühlen, die älter sind als 35 oder 40 Jahre. Und diese Zahl lässt sich noch deutlich steigern, wenn wir gezielt danach streben. Diese Gruppe wird von uns bisher eher vernachlässigt. Dass die älteren Mitarbeiter*innen sich kaum in den Landesgruppen und selten in den Gremien des Vereins finden, ist kein Problem. Wir müssen aus meiner Sicht aber nach neuen Wegen suchen, diese Zielgruppe anzusprechen, sie für den Verein zu gewinnen und ihr Engagement zu würdigen, ohne von ihnen zu verlangen, sich in die bestehenden Formate der Vereinsarbeit zu integrieren. Ich glaube, dass wir zusätzliche Potentiale erschließen können, indem wir diese Gruppe besser ansprechen. Und dabei meine ich durchaus auch die Baby Boomer, die demnächst in den Ruhestand gehen, nicht mehr arbeiten müssen, sich aber irgendwo sinnvoll engagieren möchten. Wir können vielen Menschen ein sinnvolles, befriedigendes ehrenamtliches Engagement bieten, wenn wir die richtigen Formate dafür finden.

 

Gibt es etwas, dass du dem Verein schon immer mal sagen wolltest?

Eigentlich halte ich nichts zurück, was ich sagen möchte. Aber eines gibt es vielleicht doch: Wir könnten und sollten öfter zufrieden sein mit dem, was wir bei YFU erreicht haben.

Es ist zweifellos eine Stärke des Vereins, dass wir auf Krisen reagieren, mit Problemen umgehen und Schwächen benennen können. Wir haben aber jeden Grund dafür, stolz auf den Verein zu sein, seine Stärke zu schätzen und zufrieden zu sein. Ich erlebe es immer wieder, dass YFU von außen bewundert und oft auch beneidet wird. YFU Deutschland ist zur größten Organisation im Langfristigen Schüleraustausch in Deutschland geworden, und die Qualität unserer Programme genießt eine große Anerkennung. Wir setzen in vielerlei Hinsicht Standards, andere Austauschorganisationen, auch die YFU-Partner in anderen Ländern, orientieren sich an uns. Ich finde, der Verein entwickelt sich trotz aller Probleme und Krisen positiv – er ist stark, stabil und einflussreich. Es gibt wenige Organisationen der Zivilgesellschaft in Deutschland, die so gesund sind, die von so vielen engagierten Ehrenamtlichen unterstützt werden und in denen die Zusammenarbeit zwischen ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen und Angestellten des Vereins so gut funktioniert.

Unzufriedenheit und Pessimismus sind „typisch deutsch“ und einer der Gründe dafür, warum wir stets nach Verbesserungen suchen und tüfteln. Wir dürfen und sollten aber häufiger zufrieden sein und – ohne Überheblichkeit – stolz auf unseren Verein. Ich bin es jedenfalls.

 

Das Interview wurde geführt von Moritz Metzler (YFU-Ehrenamtlicher).

 

Knut Möller