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Austauschschülerin Emily mit ihrer türkischen Gastfamilie

Auf kulinarischer Erkundungstour

Erfahrungsbericht von Emily, Austauschjahr in der Türkei

Welches ist der schnellste Weg, einer fremden Person eine neue Kultur beizubringen? Kann man eine Kultur richtig erklären? Nein. Kann ich jemandem sofort eine Sprache beibringen? Nein. Gibt es eine Gebrauchsanweisung für Kulturen? Nein. Also wie kann man einen kleinen Teil einer Kultur direkt an jemanden weitergeben? Mit Essen.
Und in der Türkei hatte ich viele Möglichkeiten, dieses Thema zu erkunden, denn die Küche nimmt in der türkischen Kultur eine große Rolle ein. Da geht es von leckeren Gemüserollen und gewürzten Fleischgerichten über zu Joghurtsuppen und gezuckerten Früchten. In den verschiedenen Regionen der Türkei gibt es viele Kulturunterschiede. Und dazu gehören auch die Essgewohnheiten. Ich finde persönlich deswegen ist die Türkei so etwas Besonderes. Jede Stadt hat seine eigene kleine Welt. Ich habe mein Austauschjahr in Adana (Süd-Ost-Türkei) verbracht. Die Menschen die hier leben, essen und sind sehr anders als die Menschen, die zum Beispiel in Ankara (Mitte-Türkei) leben. Diese Vielfalt macht die Türkei meiner Meinung nach zu einem der interessantesten Länder, um ein Austauschjahr zu machen.

 

Die Schule

Natürlich waren die ersten Wochen in der Schule sehr aufregend und spannend. Und selbstverständlich wurde ich von allen ausgefragt oder zumindest beäugt. Diese Neugier flaut aber schnell wieder ab und man findet schnell festere Freunde. Die ersten Fragen waren so welche wie „Was ist dein Lieblingsessen?“, „Was ist deine Lieblingsmusik?“ und „Welches Fußballteam magst du am liebsten?“. Alle wollten sofort helfen und jeder behandelte mich sehr nett. Es war natürlich manchmal stressig, dass jeder mit mir reden wollte und ich nie wirklich Zeit hatte, mich auf eine Person zu konzentrieren. Zur gleichen Zeit war es aber total schön, dass ich mich vom ersten bis zum letzten Schultag niemals alleine gefühlt habe. In der Schule ist das Interessanteste die zu einem respektvolle und zum anderen freundschaftliche  Beziehung zwischen Lehrern und Schülern. Jeden Montagmorgen und Freitagnachmittag müssen sich alle Schüler für die Nationalhymne sammeln. Dort werden auch die Schuluniformen gründlich kontrolliert. Im Unterricht erwarten die Lehrer natürlich, dass wir dem Unterricht folgen. Aber es kann genauso gut vorkommen, dass der Unterricht für persönliche Gespräche über Fußball, TV-Serien oder Familie unterbrochen wird. Ich bin wirklich glücklich auf einer Schule gewesen zu sein, an der sich respektvolle und fröhliche Menschen befunden haben.

 

Mein Leben in der Familie

Ich mag schon gar nicht mehr „Gastfamilie“ sagen, denn das scheint mir ein viel zu emotionsloser Begriff für meine Familie hier in der Türkei. Sie sehen mich seit dem ersten Tag als ihre Tochter an und ich habe zu meiner Familie vier Mitglieder dazugewonnen. Ich habe hier einen 10 Jahre alten Bruder und eine 5 Monate alte Schwester. Mit meinem Bruder habe ich oft Fußball oder Basketball gespielt. An den Wochenenden sind wir oft in die Berge gefahren oder haben verschieden Orte besucht. Meine Familie ist eine sehr sportliche und wir sind oft laufen oder wandern gegangen. Jetzt, da in Adana der Sommer angefangen hat und hier manchmal Temperaturen von 38-40 Grad herrschen, halten wir uns oft nur im Haus oder in klimatisierten Räumen auf. An solchen Tagen fängt das Leben erst nach Sonnenuntergang wieder an. Wir kochen oft zusammen und abends schauen wir Filme. Nach 9 Monaten haben wir uns richtig als Familie eingelebt und jetzt ist die Zeit leider sehr schnell herumgegangen. 

 

Die kleinen Dinge machen den Unterschied

Ich bin sehr froh, zehn Monate in der Türkei verbracht zu haben. Denn das heißt für mich zehn Monate gutes Essen, zehn Monate auf eine Schule zu gehen, in der ich aufgenommen worden bin, als sei ich schon seit Jahren eine Freundin, zehn Monate in einer Familie leben, die mir alles von Anfang an beigebracht hat und bei der ich auch mal in Fettnäpfchen treten konnte und es mir nicht übel genommen wurde und zehn Monate in einer Kultur leben, in der Gelassenheit, Offenheit und Warmherzigkeit großgeschrieben wird. Ich möchte allen dort draußen sagen, die noch am Überlegen sind, ob oder wohin das Austauschjahr gehen soll, egal wo ihr zehn Monate verbringen mögt, es ist eine Erfahrung für das Leben. Was heißt eigentlich „Erfahrung für das Leben“? Das klingt so groß, so überwältigend. So kam es mir zumindest immer vor. Aber es ist genau der Gegensatz. Es sind die kleinen Dinge, die du über 10 Monate lernen wirst, die einen großen Unterschied machen. Denn die Lebensweisen, die Sprache und das Verhalten anderer Menschen in anderen Ländern ist der einzige Unterschied, den es  zwischen allen Menschen dieser Welt gibt. Und eine neue Lebensweise zu lernen, zu erleben und sich anzupassen, ist eben eine Erfahrung, die du dein Leben nicht vergessen wirst. Denn es ist nicht wie ein gekauftes Geschenk, das du an jemanden weitergeben wirst, damit es auf den Regalen verstaubt. Es ist ein Geschenk an dich selber, dich und eine andere Kultur zu verstehen und zu erkunden.

Emily und ihre türkische Gastfamilie

Emily und ihre türkische Gastfamilie

Emily und ihre Gastmutter

Emily und ihre Gastmutter

Emily mit ihrem Gastbruder am Meer

Emily mit ihrem Gastbruder am Meer

Granatapfel-Ernte in der Türkei

Granatapfel-Ernte in der Türkei

Emily mit ihrem Gastbruder beim Essen

Emily mit ihrem Gastbruder beim Essen

Emily mit ihrer Gastmutter im Park

Emily mit ihrer Gastmutter im Park