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Austauschschülerin mit Freundinnen in Estland

Ein wunderbares Jahr

Erfahrungsbericht von Laura, Austauschjahr in Estland

Estland, das kleine Land im Nord-Osten Europas. Das Land des Singens, des Tanzes, der Fortschritte, der 14 Fälle und nun auch mein zweites Zuhause in der großen weiten Welt.
Manchmal kann ich es immer noch nicht ganz glauben, dass Estland mich mit so offenen Armen und seiner ganzen Liebe von der ersten Sekunde an empfangen hat. Und ich habe ab der ersten Begegnung Estland, die Menschen, meine Gastfamilie und das Leben hier in mein Herz geschlossen.

 

Wie alles anfing...

Alles fing in Deutschland an. Natürlich. Die Bewerbung ausfüllen, dann abschicken und jeden Tag zum Briefkasten laufen und auf den Antwortbrief von YFU warten. Doch das Warten und die Mühen haben sich gelohnt. Die Zeit verging wie im Flug und eh ich mich versah, mussten Koffer gepackt werden. Mit meiner Gastfamilie hatte ich schon sehr viel Kontakt gehabt und war schon ganz gespannt darauf, sie bald persönlich kennen zu lernen.

Am 16. August stand ich dann mit vollen Koffern am Flughafen und musste meiner Familie auf Wiedersehen sagen. Einerseits war ich sehr traurig, während ich durch die Sicherheitskontrollen des Flughafens ging, anderseits lag vor mir nun ein neues Leben voller neuer Menschen, neuen Erfahrungen und ganz vielen Überraschungen.
Nun war ich wohl eine Völkerverständigerin und das wurde mir immer mehr bewusst.
Am Frankfurter Fughafen sah ich schon von weitem die anderen YFUler, die mit mir ein Jahr in Estland verbringen würden. Und als mich alle freudig begrüßten, wusste ich, ich hatte die richtige Entscheidung für meinen Lebensweg getroffen.

 

 „In 10 Minuten werden wir zur Landung ansetzen!"

Bei diesen Worten wurde mir erst richtig bewusst, dass es jetzt losgehen würde. Am Flughafen angekommen, wurden wir von einigen unserer YFU-Teamer, die uns die nächsten Tage durch das Vorbereitungscamp begleiten würden, abgeholt.
Nun standen uns fünf Tage Sprachkurs, Vorbereitung und auch jede Menge Spaß bevor. Die Kommunikationssprache bei den Vorbereitungen und auch bei allem anderen war Englisch. Denn es waren ja nicht nur Jugendliche aus Deutschland da, sondern aus der ganzen Welt.


Vor dem Englischsprechen hatte ich zu Anfang ziemlich Angst, aber es klappte schon nach wenigen Tagen sehr gut und ich merkte es gar nicht mehr, wenn ich mich mit jemandem auf einer anderen Sprache als meiner Muttersprache unterhielt.
Jeden Abend ging es in die Sauna, um sich dort weiter zu unterhalten und sich vom langen Tag zu entspannen.
Wir lernten die ersten Wörter auf Estnisch und daraus wurden schon schnell ganze Sätze. Es entstanden Freundschaften, die ewig halten werden und abends wollte man nicht ins Bett, denn damit sagte man einem weiteren Tag in Estland „Gute Nacht".

 

„Lähme kodus" = Wir fahren nach Hause

Und dann kam auch schon der Tag, an dem wir alle unsere Gastfamilien persönlich kennen lernten. Meine Familie nahm mich zur Begrüßung  ganz herzlich in den Arm. Darüber war ich sehr froh, denn man sagt ja gerne über die Esten, dass sie ein bisschen grummelig und kühl sind. Aber ich lernte sehr schnell, dass jeder Este, dem ich begegnete, ein warmes Herz hat.
Nachdem wir zu Mittag gegessen hatten, ging es nach Hause. Ich bezog mein Zimmer und lebte mich mit jedem Tag mehr ein.
Es waren noch zwei Wochen Ferien, bevor mir mein erster Schultag bevorstand. In den Ferien ging ich das erste Mal in meinem Leben im Wald Pilze sammeln. Ich lernte, welche Pilze man essen kann und welche man lieber im Wald stehen lässt. Meine Gastfamilie und ich leben im Süden Estlands in einem Dorf namens Kraavi. Das war für mich jedoch kein Problem; obwohl ich aus einer Stadt mit einer Millionen Einwohner komme, wurde das ländliche Leben sehr schnell zu meinem.
Wir arbeiteten viel im Garten und auf den Erdbeerfeldern meiner Familie und genossen die letzten Tage mit Sonne, denn schon bald würde es sehr kalt werden.



Meine Familie und ich sprachen hauptsächlich auf Englisch, aber ich baute in meine Sätze jedes estnische Wort ein, das ich kannte. Dann klangen meine Sätze ungefähr so:
„Kas ma have üks Tass" (Can I have a cup.)
Im ganzen Haus hatten meine Gastschwester (16) und ich direkt am zweiten Tag meiner Ankunft gelbe Zettel mit den Namen der Gegenstände verteilt. Mein jüngerer Gastbruder (6) ging oft durch das Haus und lernte mit mir die Wörter. Nach und nach konnte ich immer mehr Zettel entfernen, bis am 29. September alle weg waren.

 

Der estnische Schulalltag

Am 3. September war mein erster Schultag. Ich kannte meine neuen Klassenkameraden schon, da ich mit ihnen in den Ferien auf einem Klassentrip gewesen war. Auch meine Gastschwester ist in meiner Klasse. Darüber bin ich in vielen Momenten sehr froh.
Die Schule war in den ersten zwei Monaten sehr anstrengend, da ich acht Stunden am Stück nichts verstand und trotzdem versuchte, so gut es eben ging, mitzumachen. Und alle Mühen haben sich gelohnt! Ich verstehe jetzt Mathematik, bin eine der besten im Russischunterricht und kann meine Fragen schon auf Estnisch stellen.


Ich habe in meinem Stundenplan auch Stunden in den unteren Klasse 1,6,8 und 9. In diesen Stunden lerne ich sehr viel. Denn mit Kinderliedern und Reimen lernt man schnell die Sprache.
In den Schulpausen spielen wir immer ein Kartenspiel, das ich zuerst nicht verstand, doch nun jede Pause mitspielen kann. So kommt man gut mit den Leuten in Kontakt und kann versuchen, sich mit ihnen zu unterhalten.

 

Von Bequemlichkeit & Gewohnheiten

Viel Freizeit habe ich unter der Woche nicht, denn ich gehe jeden Tag nach der Schule für zwei Stunden zum Tanztraining. Ich tanze seit 11 Jahren und bin sehr froh, hier weiter tanzen zu können. Ich trainiere hier estnischen Nationaltanz, Modernen Tanz und Street Dance.
Wenn ich dann am Abend nach Hause komme, muss ich mich an meine Hausaufgaben setzen und zwischendurch wird noch mit der Familie zu Abend gegessen. Wenn dann  noch Zeit bleibt, schaue ich mit meiner Familie Fernsehen. Der Fernseher läuft hier eigentlich immer. Er wird morgens schon vor der Schule angemacht. Anfangs störte mich das manchmal. Aber es ist ganz normal geworden. Ich denke, das ist ein ganz großer Punkt, den man erreicht, wenn man offen für Neues ist. Man lernt, das Bequeme und Gewohnte abzulegen, um Neues kennen zu lernen.



Mit meiner Familie in Deutschland halte ich per Brief Kontakt und finde das bis jetzt eine sehr gute Lösung. Denn zu meinem Geburtstag haben sie mich angerufen, und als ich ihre Stimmen gehört habe, habe ich doch sehr Sehnsucht nach ihnen bekommen. Manchmal vermisse ich meine Familie sehr, wenn es draußen kalt und nass ist. Aber dann schreibe ich ihnen einen Brief und freue mich sehr, wenn einige Tage später eine Antwort im Briefkasten liegt. Nur wenn etwas Wichtiges ansteht, schreiben meine Mutter und ich E-Mails.
Ich bin im Moment sehr glücklich und bin meinen zwei Familien und YFU, weil sie mich alle bis heute so gut unterstützen und mir meinen Traum zu erfüllen helfen.
Die estnische Sprache klappt immer besser und ich hoffe, dass alles so gut weiter geht, wie es angefangen hat.

 

Laura mit ihrer estnischen Gastfamilie

Laura mit ihrer estnischen Gastfamilie

Lauras Gastschwester und sie beim Pilzesammeln

Lauras Gastschwester und sie beim Pilzesammeln

Laura mit ihren estnischen Freunden

Laura mit ihren estnischen Freunden