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Tanzfestival in Lettland

Ich habe mich in das Land verliebt

Erfahrungsbericht von Christine, Austauschjahr in Lettland

„Lettland? Wo ist das denn und was willst du ja? Geh doch lieber in die USA...“ Aber genau das wollte ich nicht. Dass es Lettland wurde, war zwar eher ein Zufall, aber gleichzeitig auch ein Glückstreffer. Was weiß man denn schon über dieses kleine Land an der Ostsee, in dem gerade einmal 2,3 Millionen Menschen leben?

 

Ein Stadtfest zum Einstieg

Uns Austauschschüler erwartete am Flughafen strahlender Sonnenschein, Lettland zeigte sich von seiner besten Seite. Genauso gut war auch der erste Eindruck von meiner Gastfamilie, junge Gasteltern mit zwei etwa gleichaltrigen Gastschwestern. Ziemlich aufgeregt bin ich mit ihnen vom Flughafen „nach Hause“ gefahren. Dieses, mein zweites Zuhause liegt am Rand von Riga, Lettlands Hauptstadt. Und direkt am ersten Wochenende feierte Riga mit einem riesigen Stadtfest Geburtstag. In der ganzen Stadt gab es verschiedenste Veranstaltungen, Ausstellungen und Workshops. Gefühlt jeder zweite Lette versammelte sich am Abend zu einem großen Konzert, bei dem einfach jeder mitsang und das mit einem riesigen Feuerwerk beendet wurde. Es war einfach großartig, die Stimmung ist mir noch lange  in Erinnerung geblieben und besser hätten meine ersten Tage nicht laufen können.

 

Keine Zeit für Heimweh

Zeit für Heimweh blieb auch gar nicht, wenn meine Gasteltern nicht arbeiten mussten, waren sie unterwegs und haben mich einfach überallhin mitgenommen. Zum Beispiel ins große Rigaer Freilichtmuseum, wo ich das erste Mal einen lettischen Volkstanz tanzte (und viel Spaß dabei hatte), zu Freunden, oder aufs Land. Fast jeder Lette hat Verwandte auf dem Land und besucht diese regelmäßig, um in die Sauna zu gehen, in Seen zu schwimmen und sich zu erholen.

 

Unsere Verwandten wohnten in Gulbene (Schwanenstadt), im Osten Lettlands in einer Kleinstadt voller Plattenbauten, die aber einfach zu Lettland dazu gehören. Bei meinem ersten Besuch war ich ziemlich überwältigt von all meinen Verwandten, von denen gefühlt jeder Zweite Jānis (als Mann) oder Līga (als Frau) heißt und die sich über jedes lettische Wort aus meinem Mund freuten.

 

Praktische Wortendungen

Die Grundlagen der lettischen Sprache hatte ich zwar schon in einer Orientierungswoche von YFU Lettland gelernt, aber nur durch zuhören und später Wörter aneinanderreihen habe ich tatsächlich Lettisch gelernt. Obwohl das die meisten Leute denken, ist Lettisch nicht mit Russisch verwandt, die Sprache ähnelt nur dem Litauischen. Praktisch zum Lernen sind die Endungen im Lettischen. Alles männliche endet mit einem s, zum Beispiel heißt mein Gastvater Edgars. Weibliche Wörter dagegen enden mit einem e oder a. Auch ausländische Wörter oder Namen werden konsequent „eingelettischt“, im Fernsehen läuft Terminators und Angela Markele ist auf Besuch.

 

Blumen für die Lehrer

In der Schule habe ich trotzdem einige Zeit gebraucht, um dem Unterricht einigermaßen folgen zu können. Gerade am ersten Tag war ich völlig verloren. Überall in Lettland beginnt am 1. September die Schule, man zieht sich seine besten Sachen an und bringt dem Klassenlehrer Blumen mit. So viel wusste ich, aber wie soll ich meinen Klassenraum finden und was zu meiner nicht Englisch-sprechenden Klassenlehrerin sagen? Zum Glück hat mich der hilfsbereite Direktor gefunden und dann saß ich aufgeregt in meiner Klasse. Ich verstand kein Wort und erst als mich alle angeguckt haben und auf einmal leise waren, habe ich mich mehr schlecht als recht auf Lettisch vorgestellt. Nachdem dann alle ihre Blumen dem Klassenlehrer gegeben hatten (lettische Schulen müssen einen riesigen Bestand an Vasen haben) ging es auf den Schulhof, wo die Nationalhymne gesungen und eine Rede gehalten wurde.

 

Der Unterricht ging in der Regel bis 15:30, wobei man 45 Minuten zum Mittagessen hatte. In der Schulkantine gab es typisch lettisches Essen, viele Kartoffeln, Buchweizen und Fleisch.

 

Nach der Schule ging ich ein-  bis zweimal die Woche in ein Orchester. Obwohl die meisten Leute ein paar Jahre älter waren als ich, waren sie super freundlich und hilfsbereit. Da es ein sehr gutes Orchester war, haben wir unzählige Konzerte gegeben, unter anderen auch in Litauen und einmal war sogar der lettische Präsident zu Besuch!

 

Mittsommer-Fest

Der Höhepunkt meines Austauschjahres war wohl der Sommer. Lettische Schüler haben das Glück, gleich drei Monate Sommerferien zu haben und der letzte Maitag war also auch mein letzter Schultag. So blieb ein ganzer Monat um alle Ecken Lettlands zu erkunden.

 

Trotz der geringen Größe hat Lettland einiges zu bieten. Endlose Sandstrände, kilometerweite Wälder und kleine Städtchen aus bunten Holzhäusern sind da nur Beispiele. Nach dem Winter mit bis zu minus 25 Grad war der Sommer einfach wunderbar! Meine Gastfamilie war nach einigen Problemen inzwischen zu meiner richtigen Familie geworden und zum lettischen Jāņi-Fest (Mittsommer) feierten wir alle zusammen. Als Fast-Lettin habe ich mir wie alle anderen Frauen natürlich auch einen Blumenkranz gebunden, der aus mindestens 9 verschiedenen Blumen bestehen muss, weil er sonst Unglück bringt. Zur Dunkelheit wurden überall große Feuer entzündet, man tanzt und singt und geschlafen wird natürlich nicht.

 

Es gab eine Menge Gründe, warum ich mich in Lettland verliebt habe. Der Abschied im Juli fiel mir deshalb sehr schwer, ich musste einfach zu viel Liebgewonnenes zurücklassen, aber ein Teil von Lettland wird für immer in meinem Herzen bleiben. Uz redzēšanos, Latvija/ Auf Wiedersehen, Lettland!